Letze Aktualisierung Bernhard Merl 09.01.2022

©Lauftreff Teublitz 1987

 

 

Lauftreff in Sizilien
17.bis . 24.Oktober 2003

 

Liebe Mitreisende, bevor der Verfasser dieser Zeilen mit seiner Darstellung beginnt, muß er zuallererst um Euer Wohlwollen bitten. So sehr er darum bemüht ist, einen Gesamteindruck der Reise zu vermitteln, so wenig kann es ihm gelingen, einen repräsentativen Querschnitt durch die Vorlieben der einzelnen Mitglieder zu ziehen. Ein altes lateinisches Sprichwort sagt: „De gustibus non est disputandum“, über Geschmack kann man nicht streiten, da lässt sich keine Einigkeit erzielen.
So manch einer hätte vielleicht dieses oder jenes Ereignis mehr akzentuiert, vielleicht auch sich selbst besser gewürdigt gesehen: seht es ihm nach: Er kann nur seine persönliche Sicht der Dinge wiedergeben.Dies beginnt schon beim Ausstieg aus dem Flugzeug in Palermo. Einige mögen strahlenden Sonnenschein - wie es sich für den Süden gehört – statt des bewölkten Himmels erwartet haben, doch welch ein Unterschied zu der Kälte daheim! Und auch das Unwetter in der folgenden Nacht, von einem Ausmaß, dass wahre Sturzbäche durch die Straßen Palermos schossen, ließ die Temperaturen nicht ungemütlich werden. Dieses Schauspiel nämlich konnte unsere Reisegruppe betrachten, als sie von Mondello aus, einem Vorort von Palermo, direkt am Meer gelegen und Quartier der ersten Tage, am nächsten Morgen mit dem öffentl. Bus zur Stadtbesichtigung Palermos aufgebrochen war.Mit Alfons Zisler stand den Besuchern am Samstag ein kundiger Führer zur Verfügung, der sie nicht nur zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Palermos, wie dem Normannenpalast, der darin enthaltenen Capella Palatina und der Kathedrale führte, sondern ihnen auch die historischen Verwicklungen erklärte, die sich hinter dem Gemenge von Baustilen, den verschiedenen Stilrichtungen von Malerei und Mosaikkunst verbergen.Wir finden oft byzantinisches, arabisches, normannisches, spanisches in einem einzigen Raum verwirklicht. So sehr sich die einzelnen Herrscherdynastien auch bekämpft hatten, schon bestehende Kunstformen verschwanden nie. So konnte sich die für den Norden Siziliens charakteristische Mischkunst bilden. Kunstgeschichte als Spiegel der Eroberungsgeschichte.
Für den, der mehr auf die deutsche Geschichte fixiert ist, mag am interessantesten sein, dass in der Kathedrale von Palermo der Stauferkönig Friedrich II begraben liegt, eine der bemerkenswertesten Gestalten des Mittelalters. Er wurde auf Grund seiner außergewöhnlichen geistigen Anlagen als „stupor mundi“, Staunen der Welt, bezeichnet.
Palermo hieß in der Sprache der Phönizier, die die Stadt gründeten, die „Glückliche“.
Diese Zeiten scheinen lange vorbei zu sein. Mittlerweile plagen sie ein wahnwitziger Autoverkehr und eine Arbeitslosigkeit von 26%. Über allem ist ein Hauch von Verfall zu spüren. Übrigens soll es 387 Kirchen in Palermo geben – oft ist wohl Gott nur letzte Zuflucht in den Kümmernissen des Alltags.Eine Kirche der ganz besonderen Art – den Lauf, der am Sonntag stattgefunden hat, überspringen wir – konnte unsere Reisegruppe am Montag im Dom von Monreale, wenige Kilometer über Palermo gelegen, bewundern. Nicht um Gott zu preisen, sondern aus Rivalität mit dem Erzbischof vom Palermo, dessen Kathedrale er an Pracht den Rang ablaufen sollte, ließ Wilhelm II, der letzte Normannenkönig, ihn erbauen. So der sizilianische Städteführer, der für diese Sehenswürdigkeit zu uns gestoßen war. In der Tat repräsentiert gerade diese Kirche die bereits erwähnte Mischkunst am vollendetsten. Normannisch die Architektur, arabisch neben vielen Details die Fenster und byzantinisch die Mosaiken, die ganz und gar die Wände verzieren. Das ganze Bauwerk soll noch zu 90% im Urzustand, ohne jede Restauration, erhalten sein. Nur die Decke soll im 19. Jahrhundert wegen eines Brandes erneuert worden sein. Apropos Führer, beinahe hätten wir sie vergessen! Noch vor Monreale hat sich unserer Gruppe eine Reiseleiterin angenommen, die uns fortan durch Sizilien begleiten sollte. Eine resolute Person, „tedesca“, die Deutsche, wurde sie daher von ihren Kollegen genannt. Wohl auch deshalb, weil sie noch im Säuglingsalter nach Deutschland kam und erst seit 12 Jahren in Sizilien lebt. Ihre patriotische Gesinnung schien dies nur noch zu fördern. „Tante Anni“ durften wir sie nennen, was gar nicht zu ihren 32 Jahren passte, ihren „blonden Haaren, blauen Augen, den Lippen einer Orchidee und den Kurven des Autodroms von Monza“. So ihre bescheidene Selbstbeschreibung. Das männliche Gegenstück – wisst Ihr noch – hieß: „ein Mann mit blonden Haaren, blauen Augen, muskulös und mit (mindestens) zweifacher Virilität.“ Wer weiß, vielleicht wäre sie einem kleinen Flirt gar nicht abgeneigt gewesen. Ein junger Mann aus unserer Gruppe nämlich…Halt! Hier ist es die Pflicht des Chronisten, an sich zu halten und fortzufahren mit seinem Bericht, so wie die Reise weiterging, nach Agrigent, der griechischen Antike entgegen. Anna erzählte von der Geschichte Siziliens, von den Phöniziern, den Griechen, den Römern, Byzantinern, Arabern, Normannen, am Ende waren es 3 Jahrtausende, während draußen die Landschaft des Landesinneren vorüberflog.
Sizilien ist ein sehr bergiges Land: zu 60% soll es aus Hügeln, zu 25% aus Gebirge und nur zu 15% aus flachem Land bestehen. Braune Felder, sehr kultiviert, überall. Weil man schon im Altertum die Wälder wegen des Schiffbaus abgeholzt hatte, reichen die Felder unmittelbar bis an den Fels, was die wellige Struktur der Landschaft noch mehr hervortreten lässt. Der Boden gilt als sehr fruchtbar. Schon in der Römerzeit war Sizilien zusammen mit Nordafrika die Kornkammer des römischen Reiches. In Agrigent traf unsere Gruppe auf einen Kontrapunkt zu der feinen Mosaikkunst des Doms von Monreale. Ursprünglich von den Phöniziern gegründet, wurde es im 5. Jahrhundert v. Chr. von den Griechen erobert und erlebte ein knappes Jahrhundert lang eine sagenhafte Blüte.
Davon zeugt das Tal der Tempel, eine Ansammlung von verschiedenen griechischen Gottheiten geweihten Tempeln, imposant auf einer Anhöhe über dem Meer gelegen. Der am besten erhaltene ist der Concordiatempel, da er in späterer Zeit als Kirche benutzt wurde. Bei einem kurzweiligen Spaziergang durch die Anlage mit einer weiteren Städteführerin konnte man die alten Zeiten ein wenig nacherleben.
Die Zeit der Griechen in Sizilien war im historischen Kontext des Landes eine sehr bedeutende Epoche, die auch in der griechischen Geistesgeschichte ihre Spuren hinterließ. Stellvertretend sei Empedokles genannt, der letzte vorsokratische Philosoph. Er stammte aus Agrigent. Den Abschluß des Tages bildete eine Busfahrt bei Nacht auf einer Straße unterhalb der nun beleuchteten Tempel, untermalt von Carl Orffs Carmina Burana. Es war schon ein erhebendes Gefühl, das hier den Besucher erfasste. Denn welch ein Gegensatz: unten auf der Straße der pulsierende Verkehr, oben die Tempel, ruhig, erhaben, unberührbar, einer längst vergangenen Zeit entrückt, die in vielem noch immer rätselhaft ist. Und doch soll noch eine kleine Besonderheit erwähnt werden. Neben den Tempeln wachsen Ölbäume, von denen wenigstens einer genauso alt sein soll, wie die Tempel selbst – 2500 Jahre.
Die Tempel sind verfallen, der Ölbaum aber blüht immer noch. Ein schönes Symbol für die Unvergänglichkeit des Lebens.Der nächste Tag (Dienstag) schloss sich historisch an den vergangenen an. Auf die griechische folgte die römische Antike. In Piazza Armerina besichtigten die Sizilienfahrer eine Ausgrabung, bei der ein Landhaus des Maximilianus Heraklius, eines Mitregenten von Kaiser Diokletian Ende des 3. Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. freigelegt worden war. Die ganze Anlage verrät einen luxuriösen Lebensstil. Sehenswert die Mosaike, die exotische Jagdszenen, erotische Motive, sowie Motive aus der griechischen Mythologie zeigen.
Die Darstellungen atmen aber nicht mehr den Geist des Lebenskräftigen, sondern tragen den Charakter der Dekadenz. „Panem et circenses“, Brot und Spiele hatten längst schon den Lebensstil der römischen Gesellschaft geprägt. Längst vorbei die Zeiten der „prisca virtus romana“, der alterwürdigen Tugend der Republik. Einzelne Geister der Zeit suchten vor den Perversionen der Gesellschaft Zuflucht in der Philosophie. Aber noch sollte es 2 Jahrhunderte dauern, bis andere Protagonisten die Weltbühne betraten.Nach einem echt sizilianischem Mittagessen ging es weiter zum Ätna. Die Bilder vom Ausbruch 2001 waren allen noch in frischer Erinnerung. Von weitem schon war der Vulkan auf der Fahrt von Piazza Armerina in Richtung Catania zu sehen. Von keiner Wolke verhüllt, was um diese Jahreszeit, so Tante Anni, sehr selten sein soll. Nur weißer Rauch aus seinem Hauptkrater umspielte sein zerrissenes Haupt.
Aus einer Höhe von 2000 Metern bot sich seinen Besuchern ein fantastischer Ausblick auf das Meer und die umliegende Landschaft.
Wie Warzen wuchern die Nebenkrater aus seinen Flanken heraus, schon dicht bewachsen, aber immer bereit, wieder aktiv zu werden. Oben duldet der Berg keine Pflanze mehr. Nur noch schwarze Lava, teilweise noch rauchend, kündete von seinem zerstörerischem Werk.
Aber nicht nur unter seinen Anwohnern scheint er Angst und Schrecken zu verbreiten, sein Anblick scheint auch seinen Besuchern bisweilen in die Glieder zu fahren – ein Mitglied der Gruppe hat doch glatt seinen Fotoapparat oben gelassen.
Der Tag endete in Giardini Naxos, wo ein feudales Hotel auf uns wartete. Die Besucher aus Deutschland hatten bislang viel Glück mit dem Wetter. Nach dem Unwetter der ersten Tage schien meistens die Sonne bei Temperaturen von 20-25 Grad.
Bei herrlichem Sonnenschein ging die Fahrt dann auch von Naxos aus weiter über das Nebrodigebirge an die Nordküste der Insel in Richtung Cefalù.
Bei den Alcantara-Schluchten, einer Gebrigsklamm, machten die Läufer ein erstes Mal Halt. Wer vom Lauf noch schwere Beine hatte, konnte sich hier bei einer kurzen Kneippkur regenerieren. Die Landschaft hatte sich total verändert. Nach dem Braun der Felder im Inneren Siziliens empfing uns das frische Grün von Orangen- und Zitronenhainen überall im Tal und auf den Hängen. Anders als im nördlichen Europa hat es in Sizilien heuer überdurchschnittlich viel geregnet, was der Vegetation offensichtlich gut getan hat. Hinzu kommt, daß die Wolken, die von Norden kommen, sich an den Hängen der Küstengebirge abregnen und so für ein üppiges Wachstum sorgen.
Von Herbstlaub keine Spur. Oleander, Jasmin, Hibiskus, Prunkwinde und noch viele unbekannte Gewächse mehr erfreuten Auge und Nase der dem kalten Herbst zu Hause Entflohenen.In Cefalù verabschiedeten sich Anna und ihr Busfahrer Claudio. Die Gruppe war aber in keiner Weise in Verlegenheit, sondern erkundete auf eigene Faust die Stadt. Cefalù ist ein aufstrebender Touristenort, der aber sein mittelalterliches Gepräge mit vielen engen Gassen bislang noch erhalten konnte.
Wen es schon wieder in den Füßen juckte, der hatte hier Gelegenheit zu einem kurzen Jog.
Ein paar zog es auch ans Meer, teils um zu baden, teils um bei einem ausgiebigen Strandspaziergang dessen Weite und Rauschen tief in sich aufzunehmen um, wenn wieder daheim angekommen, noch lange von diesem Eindruck zehren zu können.Ja und so ging diese Reise langsam zu Ende. Am nächsten Morgen schon hieß es zeitig aufstehen, da sich wegen des Generalstreiks in Italien die Abflugzeiten geändert hatten. Von Palermo ging es über Rom schließlich wieder nach Hause.
Es waren schöne Tage in einem schönen Land, hervorzuheben aber ist das harmonische Gemeinschaftserlebnis, was nicht zuletzt der ruhigen und umsichtigen Leitung unseres Lauftreff-Chefs zu verdanken ist, dem an dieser Stelle auch für die Mühen der Organisation gedankt werden soll.
Freilich, hätte uns Tante Anni am Schluß der Reise gefragt: „So, so, na wie war´s ?“, wir hätten ihr bestimmt geantwortet: „Es geht so“.--- Bedanken wollen wir uns aber auch bei unserem Chronisten, Jakob Jobst, der seine persönlichen Eindrücke hier mit uns teilt, denen wir uns alle nur anschließen können.------

von Jakob Jobst