Die
Idee entstand während des Sizilienurlaubs im letzten Jahr.
Den Köppl Willi begleitete damals ein Arbeitskollege, der
Münzel Charly, ein leidenschaftlicher Läufer. Und
weil sich so mit den Lauftrefflern gleich zu gleich gesellte,
und diese ohnehin ein reiselustiges Volk sind, war es schnell
ausgemacht, den Marathon in seiner Heimatstadt Würzburg
zu besuchen.
Den Charly dürften wohl nur die kennen, die ihm in Sizilien
oder hier in Würzburg begegnet sind. Bekannter –
zumindest in Sportlerkreisen – ist sein Bruder Wolfgang,
der vor Jahren Mitglied der Berglauf-Nationalmannschaft war.
Ins Land der Franken fahren heißt zuallererst Begegnung
mit einer ausgeprägten Weinkultur. Schon vom Zug aus waren
ringsum die Weinberge sichtbar. 6000 Hektar dürften es
noch in Franken sein, im Mittelalter sollen es gar 40.000 Hektar
gewesen sein. So erzählte der Winzer, den der Charly für
die Besucher aus der Oberpfalz organisiert hatte, damit er ihnen
das Kulturgut Wein etwas näher brächte.
In der Winzergenossenschaft Thüngersheim erfuhren sie,
wie das Keltern der Trauben vor sich geht, Wissenswertes über
die Vermarktung des Weins, sowie über die Organisation
dieser Institution. Dass so eine Genossenschaft auch über
einen repräsentativen Weinkeller verfügt, muß
nicht besonders hervorgehoben werden. Interessanter ist da schon,
dass dem Pfarrer des Ortes ein „Deputat“, ein gewisses
Kontingent an Wein, zusteht. Das erinnert dann doch sehr an
den Zehnten, den leibeigene Bauern im Mittelalter an Adel und
Kirche entrichten mussten.
Es soll hier übrigens noch nie Priestermangel geherrscht
haben.
Bevor sich unser Winzer mit der Gruppe zu einer ausgiebigen
Wanderung in die Weinberge aufmachte, hatte er mit seiner Frau
eine deftige fränkische Brotzeit vorbereitet. In weiser
Voraussicht, denn er hatte allerhand Weine und Selbstgebranntes
zum Probieren dabei.
Das Prozedere ging dann so vor sich, dass seine Frau mit dem
Auto vorausfuhr und bei jedem Halt Weine probiert wurden. Dazwischen
klärte er die Besucher auf über Weinsorten, Weinanbau,
Schnitt der Reben, und, und, und; so dass diesen fortan niemand
mehr etwas über Riesling und Silvaner wird vormachen können.
Es wurde kein Kreuzweg, aber als es nach sieben Weinen hieß
„wir haben noch zwei“, rollte doch so mancher die
Augen, hatte man doch noch einen harten sportlichen Wettkampf
vor sich. Vereinzelt war aber auch ein Seufzer der Erleichterung
zu vernehmen, denn was hätte erst daraus werden können,
wenn all die guten (S)Läufer (?) noch dabei gewesen wären,
die man in der Heimat zurückgelassen hatte? Zumal der Winzer
seinen Wein ebenso gerne trank, wie er ihn anbaute.Aber
schließlich ging alles gut vorüber, niemand hatte
hinterher einen schweren Kopf, was natürlich für die
Güte der verkosteten Weine sprach. Der Spruch eines Einheimischen,
der gerade des Weges kam: „Hast den Bacchus in der Blutbahn,
bist du sexy wie ein Truthahn:“ fanden unsere Oberpfälzer
dann aber doch etwas übertrieben. Der dionysische Geist
entfaltet seine Wirkung offenbar nur bei dem, der sich ihm oft
genug hingibt.
Der Samstag stand ganz im Zeichen der Stadt Würzburg. Ursprünglich
hatte der Charly eine zügige Besichtigung der Stadt mit
Beschränkung auf die markantesten Punkte wie Burg und Residenz
geplant, damit für den Lauf am nächsten Tag Kräfte
gespart werden konnten. Dann aber zog sich die Tour doch bis
weit in den Nachmittag hinein hin. Die Stadt war einfach zu
reich an Sehenswürdigkeiten, als dass man hätte so
ohne weiteres vorüberlaufen können.
Hier lohnte es sich für die Gruppe, dass sie den Hermann
Stadelbauer dabei hatte, der aus seinem fundierten historischen
Wissen heraus so manches interessante Detail zu den Erklärungen
von Charly beitragen konnte.
„Warum denn in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch
so nah“, wird sich derjenige gefragt haben, der zum ersten
Mal in Würzburg war. Unvergesslich der Blick vom Mainufer
aus über die alte Mainbrücke hinauf zum Käppele
und zur Festung Marienberg; ebenso die Aussicht von der Burg
in das Maintal und auf die Stadt hinaus zum „Würzburger
Stein“, dem vielleicht bekanntesten Weinbaugebiet Frankens.
Wenn man sich vorstellt, dass die Stadt im zweiten Weltkrieg
zu 82% zerstört wurde und dann dieser Vollkommenheit gegenübersteht,
kann man ermessen, welche Tatkraft und Kunstfertigkeit nötig
waren, um sie wieder in diesen makellosen Zustand zu versetzen.
Gerade letztere war z.B. im Übermaß bei der Restaurierung
des Spiegelkabinetts in der Residenz gefragt, dessen leuchtender
Goldglanz den Betrachter spontan an Bilder des gerade rekonstruierten
Bernsteinzimmers in St. Petersburg erinnerte. Wie bei diesem
konnte auch die Wiederherstellung des Spiegelsaals nur auf Grund
alter Aufnahmen und unter Entwicklung neuer komplizierter Techniken
vollzogen werden.
Ein wenig erinnert Würzbug den Besucher an Regensburg.
Hier der Main mit der alten Mainbrücke, dort die Donau
mit der Steinernen Brücke. Beide Städte scheinen ähnlich
groß zu sein. Beide Male die historische Altstadt. Was
Regensburg mehr an seltener historischer Substanz vorweisen
kann, macht Würzburg wett durch mehr äußeren
Glanz.
Den
Vergleich könnte man auch fortführen, was den Marathon
betrifft. Ebenfalls zwei Runden, ähnliche Streckenführung
durch die Altstadt, ähnliche Teilnehmerzahl. Doch der sportliche
Aspekt wird noch zu genüge von der Presse gewürdigt
werden und sollte in einem Reisebericht nicht zum Thema werden.
Nach dem Marathon hatte sich die Gruppe geteilt. Die einen wollten
so schnell wie möglich nach Hause, ein Paar aber waren
noch mit dem Essen in Verzug und einer wollte noch auf die Siegerehrung.
So kam es, das sich eine kleine Gruppe von vier Leuten bildete,
sie später abreiste. Als diese dann in Nürnberg im
Zug in eine Horde lärmender Club-Fans gerieten, war für
sie bereits der Abstieg von den Höhen der Kunst in die
Niederungen der profanen Alltagskultur vollzogen, die für
die anderen spätestens am nächsten Tag wieder begann.
Denn es war mal wieder Montag und wieder Arbeitstag.
Bericht:Jakob
Jobst